Anlass des 15-jährigen Jubiläums seit dem Start des Projektes Gedenkstätte Sighet, wurde am Donnerstag, der 13. Dezember 2007, ein Rundtisch-Gespräch zum Thema Alltag in Salcia unter der Leitung des Internationalen Zentrums für Kommunismusforschung der Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und den Widerstand (Stiftung Bürgerakademie) organisiert. Die Veranstaltung eröffnete eine Reihe von Treffen anlässlich des 15-jährigen Jubiläums seit dem Start des Projekts.
An dem von Romulus Rusan, Leiter des Zentrums, moderierten Rundtisch-Gespräch nahmen Personen teil, die als Jugendliche in den 1950er Jahren den Terror dieses wildesten Vernichtungslagers aus Bălţile Brăilei erlebt hatten: Iulian Paşaliu, Cristian Florin Dumitrescu, Vintilă Săvulescu, Emanoil Mihăilescu, Alexandru Mihalcea, Eusebiu Munteanu, Constantin Florin Pavlovici, Florin Alexandru Stănescu, Mirel Stănescu, Ion Varlam. Ioana Boca, die Geschäftsführerin der Stiftung, stellte in ihrer Eröffnungsrede die Teilnehmer aufgrund von Archivdaten des Zentrums vor.
Constantin Florin Pavlovici war zur Zeit seiner Verhaftung Student an der Fakultät für Philosophie – Abteilung Journalistik. Er wurde im Februar 1959 zusammen mit anderen Kommilitonen verhaftet und zu 5 Jahren Gefängnis wegen „konterrevolutionärer Verschwörung” verurteilt. Nach seiner Freilassung (1964) schrieb er sich erneut an der Fakultät für Germanistik der Universität Bukarest ein. Er ist Autor eines der interessantesten Bücher über den rumänischen Gulag: Folter, verständlich für alle.
Alexandru Mihalcea studierte 1959 an der Fakultät für Philosophie – Abteilung Journalistik der Universität Bukarest. Nach einer Anzeige wurde er zusammen mit anderen Kommilitonen zu 4 Jahren Haft verurteilt. Er wurde 1963 freigelassen. Er hat zahlreiche Erinnerungen veröffentlicht, die schließlich im Buch Uranus-Gherla, via Salcia zusammengestellt wurden.
Ion Varlam war im November 1956 Student der Architektur. 1949 hatte er als Schüler zusammen mit mehreren Kollegen eine antikommunistische Organisation ins Leben gerufen. 1952 verhaftet, wurde er im Frühjahr 1956 freigelassen. Im November 1956 wurde er erneut verhaftet und zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Nachdem er 1964 freigelassen worden ist, entschloss er sich 1965 bei einer Reise nach Frankreich, im Exil zu bleiben.
Emanoil Mihăilescu studierte an der Fakultät für Architektur und war Mitglied der Gruppe „Angezündeter Scheiterhaufen”, deren geistiger Führer der Mönch Daniil (Sandu Tudor) war. Er wurde 1958 verhaftet, zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt und 1963 freigelassen.
Eusebiu Munteanu hat im Sommer 1958 die Fakultät für Medizin in Bukarest abgeschlossen, und wurde am 5. September 1958 vor seiner letzten Staatsexamens-Prüfung verhaftet. Er wurde zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt und 1964 freigelassen. Er beendete dann sein Studium und wurde ein ausgezeichneter Landarzt, bis er vor einigen Monaten in Rente ging.
Cristian Florin Dumitrescu wurde im Oktober 1956 verhaftet, als er Student an der Militärakademie, Sektion Luftstreitkräfte, in Bukarest war. Er war Initiator der „Rumänischen Widerstandsgruppe”, die sich 1955 bildete und zu der Studenten der Militärakademie gehörten. Er wurde zu 14 Jahren Zwangsarbeit wegen „Verschwörung gegen die soziale Ordnung” verurteilt, und im Februar 1963 nach einer Begnadigung freigelassen.
Florin Alexandru Stănescu war bei seiner Verhaftung Student an der Fakultät für Medizin. Er wurde am 27. Juni 1958 verhaftet und zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, 1964 freigelassen. Er nahm nach einer Zeit des Verbots sein Studium wieder auf, und wurde ein ausgezeichneter Gerichtsmediziner, wobei er eine Zeit lang Berater des Europarats für Folter wurde.
Vintilă Săvulescu wurde 1958 als Student an der Fakultät für Architektur verhaftet. Er wurde im Februar 1959 zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und 1964 durch Begnadigung freigelassen. Er schloss sein Studium in den 1960er Jahren ab und wurde Architekt.
Mirel Stănescu war zum Zeitpunkt seiner Verhaftung 16 alt und Schüler. Er wurde 1957 verurteilt und durchlief zahlreiche Gefängnisse und Gefängniskrankenhäuser, bis er 1964 durch Begnadigung freigelassen wurde.
Die Diskussion dieser ausgezeichneten Intellektuellen setzte sich aus genauen Erinnerungen mit dokumentarischem Charakter und einem sentimentalen Rückblick einiger jungen Menschen zusammen, die die Hölle durchgemacht hatten und die sich wie bei einem Wiedersehen mit Freunden wieder finden würden. Obwohl ihre Erinnerungen vorher aufgenommen wurden, und Teil der über 5000 Stunden Oral-History-Aufnahmen der Bürgerakademie sind, stand das Gespräch unter dem Zeichen wissenschaftlicher Präzision und emotionaler Erinnerung.
Die „Kolonie” Salcia wurde 1952 gegründet. Von Anfang an herrschte Terror in Salcia. Aufgrund der Verbindung von Hunger, Kälte, Schlägen, Isolationen, mit kräftezehrenden Arbeiten am großen Deich, der das Balta Brăilei umgab, und es in ein landwirtschaftliches Gebiet umwandelte, kann es als ein Vernichtungslager betrachtet werden. Die Grausamkeiten aus der Anfangszeit wurden 1955 auf Drängen der internationalen öffentlichen Meinung untersucht. Obwohl die Untersuchung den Greuel der angewandten Foltermethoden feststellte, funktionierte das Lager weiter, und zeichnete sich in den Jahren 1959-1961 durch die Anwesenheit von zahlreichen Studenten und jungen Intellektuellen aus, die der Vernichtung durch Arbeit unterworfen wurden. Salcia wurde von einiger bedeutender memorialistischer Werke behandelt.
„Der Deich von Salcia wurde lange Jahre früher begonnen, hatte eine glorreiche Geschichte von Verbrechen und Leiden, und wir würden diese Geschichte vervollständigen… Die Norm, die ein Häftling zu erfüllen hatte, betrug 3200 Kubikmeter pro Tag. Über drei Kubikmeter Erde mussten mit Hacke und Spaten verschoben werden, mit der Schippe auf eine Schubkarre geschaufelt und über eine Strecke von einigen Metern am Anfang aber später, als der Deich anwuchs, von einigen hundert Metern, gekarrt werden… Es war eine selbst für einen professionellen Feldarbeiter schwer zu schaffende Norm. Für uns, geschwächt vom Gefängnis und unterernährt, war keine Rede davon, sie zu erfüllen.”
Florin Constantin Pavlovici, Folter, verständlich für alle
„Das Lager von Salcia schien eher wie eine Hölle. Es ist klar, dass die Schufte uns einem Vernichtungsregime unterwerfe… man schlägt bis aufs Blut, wobei man irgendeinen Vorwand nimmt, um die Häftlinge zu schlagen, ein schlecht gemachtes Bett, eine ausgerissene Mütze überstürzt auf den Kopf gesetzt beim Vorbeigehen eines Bullen, aber besonders die Nichterfüllung der Norm, von der ich nicht weiß, ob sie so festgelegt worden ist, um nicht erfüllt werden zu können. Der Tagesablauf ist höllisch: zum Aufwachen wird um 4 gepfiffen, es sind noch gut drei Stunden bis es hell wird, aber wir hüpfen aus den zerlumpten Betten, zwei Finger dick speckig, „die Innenministeriums-Reform“, nach Schweiß stinkend, unter dem wir zu zweit im Bett geschlafen haben, und wir setzen uns der Reihe nach auf den Kübel. Wenn noch Platz auf dem Behälter ist. Danach warten wir auf den Tee. Keiner denkt daran, sich zu waschen, dies wäre nicht nur extravagant, sondern auch schlicht unmöglich. Wasser, abgemessen mit Geiz, gibt man uns nur für die Küche und zum Trinken. In Salcia habe ich mir lediglich die Hände gewaschen, einige Male vom November bis Ende März, aber am Körper – niemals. Im Frühling habe ich mich wie eine Schlange gehäutet, die tote Haut ist von mir abgefallen.“
Al. Mihalcea, Straflager Tagebuch
Das Rundtisch-Gespräch setzte sich fort mit einem Treffen der Jugendlichen der 50er Jahre mit Jugendlichen des 21. Jahrhunderts, das bei der Iulia Haşdeu Schule in Bukarest stattfand.