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Banater Post: Ein Denkmal gegen das Vergessen

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Von: Halrun Reinholz

 

Die Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des Widerstandes in Sighet. Foto: Peter Krier

Der Band „Geist hinter Gittern“ stellt dem deutschen Publikum die rumänische Gedenkstätte Memorial Sighet vor. Sighet (korrekt: Sighetul Marmaţiei) ist eine Kleinstadt im Norden Rumäniens, nahe der ukrainischen Grenze, wo sich „Fuchs und Hase gute Nacht sagen“. Nur noch wenige Menschen in Rumänien wissen aus eigener Erfahrung, dass hier im Jahr 1950 eines der schrecklichsten politischen Gefängnisse von den kommunistischen Machthabern eingerichtet wurde, in das die „Klassenfeinde“ des stalinistischen Regimes zu hunderten ohne Anklage eingeliefert und auf entwürdigende Weise gedemütigt, entrechtet, gefoltert und nicht selten ermordet wurden. Seit 20 Jahren ist hier eine Gedenkstätte eingerichtet, die genau diese Verbrechen des Kommunismus in Rumänien dokumentiert. Ein Denkmal gegen das Vergessen ist hier an schicksalsträchtigem Ort entstanden, beispielhaft für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit. Denn die Gedenkstätte enthält nicht nur Exponate und Texte, sondern ist auch jedes Jahr Schauplatz einer „Sommerakademie“, wo junge Leute aus Rumänien und aus dem Ausland zusammentreffen und anhand der Vorträge von Historikern und anderen Wissenschaftlern Einzelheiten aus der repressiven Zeit der jüngeren rumänischen Geschichte erfahren, die sie selber allenfalls noch aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen.

Aus Anlass des zwanzigjährigen Bestehens dieser beispielhaften Einrichtung haben Katharina Kilzer und Helmut Müller-Enbergs in der Reihe „Forum Rumänien“ des Berliner Verlags Frank & Timme eine Dokumentation zur Entstehung der Gedenkstätte herausgebracht, die im zweiten Teil ergänzt wird durch Beiträge über den Kommunismus in Rumänien – Beiträge, die an den Sommerakademien in Sighet referiert worden sind. Die informative und sachliche Darstellung ist gleichzeitig eine Hommage an die Personen, die seit über 20 Jahren darum bemüht sind, die Verdrängung der kommunistischen Geschichte Rumäniens durch kompetente und wissenschaftlich solide Aufklärungsarbeit zu verhindern. Denn die Gedenkstätte ist keineswegs das Werk der rumänischen Regierung, die sich häufig eher als Verhinderer hervortat, sondern einer bereits 1990 gegründeten „Bürgerallianz“, die schon damals zu Recht besorgt war, dass in der allgemeinen postrevolutionären „Freiheits“-Euphorie die Verbrechen des kommunistischen Regimes unter den Teppich gekehrt werden könnten. Motoren der Bürgerbewegung waren die Schriftstellerin Ana Blandiana und ihr Ehemann und Schriftsteller-Kollege Romulus Rusan. Ana Blandiana musste als Kind erleben, wie ihr Vater, ein Lehrer, inhaftiert wurde. Sie selbst hatte unter Ceauşescu Schreibverbot, nachdem sie mit Gedichten wie: „Ich glaube, wir sind Pflanzenvolk – Wer hat jemals / einen Baum in der Revolte gesehen?“ die Leute aufhorchen ließ. Aus diesen Erfahrungen heraus war es ihr ein wichtiges Anliegen, eine „Schule des Gedächtnisses“ zu errichten. Oder, um ihren Schriftstellerkollegen und auch einst politischen Gefangenen Hans Bergel mit dem Titel seines Beitrags zu zitieren: Es geht hier um „Leuchttürme im Ozean der Vergesslichkeit“. Der Ort Sighet, so Ana Blandiana, hat sich für die 
Gedenkstätte aus verschiedenen Gründen angeboten. Zunächst symbolisierte er den Beginn der Repression, die systematisch darauf aus war, die geistige Elite des Landes zu zerstören. Die ersten Inhaftierten waren (neben so manchen anderen politisch „verdächtigen“ Personen) vor allem die Funktionäre der nun verbotenen bürgerlichen Parteien, Geistliche aller Konfessionen und Intellektuelle. Das Gebäude in Sighet diente 1990 schon lange nicht mehr als Gefängnis und war deshalb verfallen; so lag es nahe, diesen Ort wieder mit Leben im Sinne einer historischen Umwidmung zu füllen. Gegen viele Widerstände, aber auch mit viel engagierter (vor allem auch finanzieller) Hilfe, zum Beispiel von prominenten Exilrumänen und der EU, gelang es den Initiatoren der Bürgerstiftung, das Projekt zu realisieren. Der zunächst ganz pragmatischen (kostenintensiven) Sanierung des Gebäudes folgte die minutiöse Sammlung von Zeugnissen und Gegenständen der Repression. Denn rund 70 Jahre nach der Machtergreifung durch die Kommunisten sind die Zeitzeugen rar geworden und die Aufarbeitung eine drängende Aufgabe. Ihre wichtigste Funktion erfüllt die Gedenkstätte jedoch jeden Sommer, wenn Schüler und Studenten aus ganz Rumänien und aus dem Ausland über die Geschehnisse aufgeklärt werden und diese Eindrücke am historischen Ort vertiefen können. So ist Sighet von einem Ort der Repression zu einem Ort der Begegnung geworden, auch der Begegnung von Wissenschaftlern, die zum Teil in ihren eigenen Ländern (des ehemaligen Ostblocks) an ähnlichen Themen arbeiten.

Die Lektüre des Jubiläumsbandes bietet auch (und vor allem) den rumäniendeutschen Lesern bei aller Sachlichkeit Spannung und Entsetzen, Fragen und Aha-Erlebnisse. Zwar waren die Deutschen in Rumänien nicht selten im Fokus von Entrechtungsmaßnahmen, doch sie waren bei weitem nicht dieeinzigen Leidtragenden. Die Dokumentation möchte (genau wie die Gedenkstätte) zunächst ohne besondere Wertung so viele Aspekte des Grauens wie möglich erfassen. Die einzelnen Autoren des ‘ersten Teils berichten daher jeweils aus ihrer eigenen Perspektive von ihren persönlichen Erfahrungen mit der Gedenkstätte. Im zweiten Teil erfährt der geschichtlich interessierte Leser einiges aus der Geschichte Rumäniens und der kommunistischen Umgebung in jener Zeit – es dürfte dazu (noch) nicht sehr viele Publikationen geben, zumal nicht in deutscher Sprache. Die Beiträge der Sommerakademien liegen (in rumänischer Sprache) selbstverständlich in der Publikationsreihe der Bürgerallianz vor. In Deutschland war das Wirken dieses Vereins bislang über 
eine Ausstellung zur Deportation ganzer (nicht nur deutscher!) Bevölkerungsgruppen in die unwirtliche Bărăgan-Steppe im Osten Rumäniens wahrnehmbar, die in mehreren Städten gezeigt wurde. Mit diesem Dokumentationsband zur Gedenkstätte Sighet ist nun ein weiterer
Tropfen aus dem „Meer der Bitterkeit“ (Romulus Rusan) an die Oberfläche gelangt. Dass die junge Generation in die Aufarbeitung mit einbezogen wird, lässt hoffen, dass die Bergungsarbeiten der Vergangenheit in Sighet und andernorts auch in Zukunft fortgesetzt werden.   

Katharina Kilzer / Helmut Müller-Enbergs (Hrsg.): Geist hinter Gittern. Die rumänische Gedenkstätte Memorial Sighet. Berlin: Frank & Timme, 2013. 216 Seiten. ISBN: 978-3-86596-546-2. Preis: 29,80 Euro. Zu beziehen über den Buchhandel oder beim Verlag (www.frank-timme.de).

 

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