„Das Leid hat uns alle geeint“
Die Deportation in die rumänische Baragan-Steppe
In den frühen Morgenstunden des 18. Juni 1951, am orthodoxen Pfingstfest, beginnt in Rumänien für mehr als 40.000 Menschen, darunter
Alte, Kleinkinder und komplette Familien eine für den kommunistischen Machtbereich typische Massendeportation. Es sind Banatdeutsche wie auch Mazedonier, Rumänen ebenso wie Ungarn und Türken aus dem Banat, die ohne jede Rücksicht auf Alter, Krankheit oder sonst irgendetwas
auf die Deportationslisten kommen.
Sie haben eine Stunde Zeit, etwas von ihrer Habe zu packen und sich auf der Straße einzufinden. LKWs bringen sie zu den Viehwaggons, in
denen sie ihre Reise ins Ungewisse antreten. Die Durchführung ist mit Tschekisteneifer gewissenhaft organisiert, trotzdem verläuft die Deportation
„qualvoll nicht nur an sich, sondern auch aufgrund der Inkompetenz, Dummheit und Korruption derer, die sie umsetzen“. Die 2.500 Parteiaktivisten
und über 10.000 Soldaten, Geheimdienstmitarbeiter, Polizisten und Grenzer, die sich an der Verschleppung
beteiligen, sind so auf die
strengen Regeln von Wachsamkeit
und Geheimhaltung verpflichtet, dass
sie auch während tagelanger Aufenthalte
auf einzelnen Bahnhöfen den
Deportierten nicht verraten, wohin
die Reise geht. Deren größte Angst ist
die Verbannung in die Sowjetunion,
wohin erst sechs Jahre zuvor 75.000
ethnisch Deutsche ins Donez-Kohlebecken
(Donbass) zum „Wiederaufbau“
verschleppt worden waren.
Die Unsicherheit endet in der Baragan-
Steppe. Es existieren für die
Deportierten keine Unterkünfte, die
wenigen Lebensmittel sind schnell
aufgebraucht. Die Verbannten bekommen
ihren Platz im neuen Leben mit
einem Stock in der Steppe markiert,
an dem eine Nummer prangt. Erdhütten
sind der einzige Schutz gegen den
Winter. Auf der kargen Steppe werden
die Feldfrüchte angebaut, von denen
die Menschen irgendwann einmal
leben sollen. Den Menschen aus den
Nachbardörfern ist es nicht gestatten,
mit den Verbannten zu sprechen, Zeitungen
oder Radio sind verboten.
Die Verbannten sind die „Krone der
Banater Dorfwelt“. Sie schaffen es,
bekommen ihr Leben auch als Verbannte
durch harte Arbeit unter
unvorstellbaren Bedingungen in den
Griff, behalten ihren Stolz und ihren
Lebensmut. In der Steppe bauen sie
Häuser, gründen 18 Ortschaften. Die
Deportation in den Baragan hat die
Tausende Banater unterschiedlicher
Ethnien nicht gegeneinander aufgebracht,
sondern hat sie geradezu geeint.
Gemeinschaft, harte Arbeit und
überlebensnotwendige Solidarität schweißten
die Deportierten zusammen.
Über das Schicksal dieser Menschen
berichtet eine Ausstellung mit dem
Titel „Die Deportation in die rumänische
Baragan-Steppe“ in der Gedenkstätte
Hohenschönhausen, Genslerstr.
13a, 13055 Berlin. Sie ist noch bis
zum 30. September 2012 zu sehen.
Tote ohne Gräber im Baragan
(1951–1956)
In den fünf Jahren der Verbannung in
die Baragan-Steppe starben mindestens
1600 der Deportierten. In der Ausstellung
erinnert eine lange Namensliste an
die 1687 Verstorbenen, die vom Internationalen
Zentrum für Kommunismusforschung
identifiziert werden konnten.
Jeder der Namen steht für ein ganzes
gestohlenes Leben: Anna Mühlbach,
geb. Kühlburger war 37 als sie am 3.
April 1955 starb. Hildegarde Hack starb
am 29. Dezember 1954 im Alter von
vier Jahren. So etwas kann keine verschrobene
Idee, kein Dekret und kein
Präsidium der Großen Nationalversammlung
rechtfertigen. Solche Deportationen
einen auch alle beteiligten Täter:
Sie sind damit ganz gewöhnliche Verbrecher.
Dr. Gunnar Digutsch (DOD)
Deportation in die Baragan-Steppe
Bildquellen: Archiv Digutsch (1), Bien (1)
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